Extra-Blaß 11/2025 – Freunde und Bekannte

Mahlzeit !
„Friends will be friends“ hatte schon Freddie Mercury gesungen. Er sang nicht „Friends will be followers“. Weil es damals noch keine Follower gab und das Versmaß auch nicht gepasst hätte. 

Gemeint sind echte Freunde. Lebend, man kann sich mit ihnen treffen, sie anfassen, Vorsicht, dass kann missverstanden werden, und man kann sie nachts anrufen, wenn was passiert ist. Tagsüber natürlich auch, aber Ihr wisst, was ich meine. 

Ich habe zwei richtige Freunde. Einen seit der Schulzeit, also fast 50 Jahre. Goldene Freundschaft sozusagen. Schule, Job, Familiengründung, natürlich jeder seine eigene, alles gemeinsam erlebt. Sowas gibt es nur einmal. Und einen, der in den Neunzigern erstmal nur ein PC-Betreuer-Kollege war. Wenige gemeinsame PC-Installationen später zeigte sich dann schnell, dass das passt. Das fanden die, die die PCs bekommen haben, oft nicht. Wir schon. Viele Grüße von hier, Andreas und Olli.

Nicht gemeint sind z.B. Facebook-Freunde. Das sind keine Freunde, sondern Leute, die mal auf „Folgen“ geklickt haben. Oft kennt man nicht mal deren richtige Namen, weil Heinz Schmollke alias Deckhengst78 nur auf Instagram der sein kann, der er im richtigen Leben gerne sein würde. 
Merksatz: „Bild“ ist Altpapier, aber keine Zeitung, 
Berliner sind Menschen, aber keine Pfannkuchen und 
Heinz ist ein Follower, aber kein Freund. 

Dazwischen gibt es noch Bekannte. Das sind Leute, mit denen einen irgendwas verbindet. 
Zufällig, und oft ungewollt. Nicht der Arzt, der verbindet zwar auch, aber anders. Und die Kollegin in der Telefonzentrale ist auch nicht gemeint. 

Aber entfernte Verwandte zum Beispiel. Entfernt genug, um sie nicht zur eigentlichen Familie zählen zu müssen, allerdings nicht entfernt genug, um sie hier einfach zu übergehen. Da ist der Stammbaum das Verbindende.

Oder der Onkel von der Freundin des Nachbarsohns, nennen wir ihn Horst, den man zufällig mal am Briefkasten getroffen hat. Und sich dann herausstellte, als das Gespräch etwas länger als übliche Hausflurgespräche dauerte, dass der die gleichen Probleme mit der Sky Go-Menüführung hat wie ich.

Horst hat natürlich auch Familie. Familie, die man nicht kennt. Und hätte Horst nicht das gleiche Trauma von der Sky Go-Bedienung und hätte Horst nicht zur gleichen Zeit die Post geholt, wir müssten seine Familie wohl auch nie kennenlernen. So aber wurde aus der spontanen Mini-Pay-TV-Selbsthilfegruppe schnell ein Treffen zweier Familien, die so gar nichts gemeinsam haben, außer eben den gleichen Fernsehanbieter. Die einen wegen der Fußball-Bundesliga, die anderen wegen Romance TV. 

„Lass uns doch mal zusammensetzen auf ein schönes Glas Wein“. Es folgt, was zwangsläufig folgen muss: man verabredet sich zum Spieleabend. Zusammensetzen heißt am Ende immer irgendwas spielen. Denn worüber sollte man reden. SkyGo wurde schon im Hausflur erörtert und mehr Gemeinsamkeiten gibt es bisher ja nicht. Und wird es wahrscheinlich auch nie geben. Und warum trifft man sich eigentlich immer auf ein „schönes Glas Wein“? Nie auf eine schöne Flasche Bier? Wein macht Magensäure, da wird mir schlecht. 

Die folgende Geschichte handelt von diesen Bekannten, zuvor aber, wie immer, der

Flache

Was passiert eigentlich bei Ikea mit den Kindern, die im Spieleparadies nicht abgeholt werden? Und woraus werden Köttbullar gemacht?

Das Vor-Spiel

Köttbullar ist der passende Einstieg für diese Geschichte. Schließlich wird ja, wenn man denn einen passenden Termin für das Unvermeidliche, den Abend beim schönen Glas was auch immer, gefunden hat, ordentlich aufgetischt. Man muss ja zeigen, was man hat und kann. Wer sich noch an die Sparkassen-Werbung aus den 90ern erinnert „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, hier ist es wieder. Meine Küche, meine Kochkünste, mein Silberbesteck. Wo Horst und Inge sonst Ravioli und Königsberger Klopse aus der Dose aufwärmen oder das Mettbrötchen zubereiten, stehen nun Jamie Olivers geröstete Kürbis-Rigatoni auf dem Programm. Passt zum Herbst, Nudeln gehen immer und, man weiß ja nie, es ist vegetarisch. Das Rezept findet sich im Internet und bei der Zubereitung hilft das Youtube-Video. Zum Nachtisch gibt es natürlich Crème brûlée, Amazon hat gerade noch rechtzeitig den kleinen Brenner geliefert, ohne den es nur Crème ohne brûlée geworden wäre. 

Crème brûlée, daran erkennt man den französischen Nationalstolz. Meine Sprache, meine Umlaute, meine Sonderzeichen. „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Tastatur“, meint man beim Lesen dieses Wortes zu hören. Die haben da alles reingepackt, was auf handelsüblichen Tastaturen eigentlich unmöglich zu erreichen ist. Außer, man hat drei Hände. Wer denkt sich sowas aus? Oder waren das am Ende nur Verunreinigungen auf irgendwelchen uralten Schriften und bei der Weitergabe von Generation zu Generation wurden diese kleinen Flecken irgendwann für bare Münze genommen? Hat sich der Statthalter im späteren Bayern gedacht „Du, schau amoi – die in Paris ham scho wieda wos Neis ausgspinna“, dabei ist dem reitenden Boten einfach nur das königliche Dekret auf den Waldboten gefallen?

Quelle: Wikipedia

Und das sagt jemand, der ein ß im Namen hat…

Zurück zum Essen.
Amazon hat natürlich auch die Politur geliefert. Schließlich war das geerbte Silberbesteck von Oma nach zehn Jahren in der roten Velours-Holzkiste doch schon ein wenig angelaufen. Und auch beim Wein hat Horst keine Kosten und Mühen gescheut. Über die praktischen Tetrapak-Landwein-Kanister war man zwar schon längst hinaus, aber meist hat dann doch die 3,99€-Flasche im Angebot gesiegt. Nicht so heute. Zur Feier des Tages gibt es die 12€-Flasche. Das ist was ganz Gutes, hat die Dame bei Lidl gesagt, die neben den Weinen gerade das Regal mit den Chips eingeräumt hat. 

Und so ist man dann nach gut zwei Stunden satt und hat für den folgenden Teil des Abends schon etwas vorgeglüht.

Spieleabend

Nach dem Essen steht endlich der Spieleabend an. Spieleabende werden ausschließlich mit Bekannten gemacht. Würde man Spieleabende mit Freunden machen, wären es anschließend Bekannte. 
Siehe dazu auch Spieleabend mit Verwandten“.

Während der ersten zwei Gläser Wein wählt man das eigentliche Spiel aus. Horst hat eine große Auswahl an Spielen. Offenbar ist er häufig an Briefkästen unterwegs und spricht gerne Einladungen aus. Konnten wir „Mensch ärgere Dich nicht“, „Cluedo“ und andere Klassiker noch abwenden, sind wir am Ende dann bei Scrabble hängengeblieben. Das ist dann wie Deutsch-Unterricht, nur mit Alkohol. Und spätestens nach den nächsten beiden Gläsern zeigen sich dann die wahren Charaktere. 

  • „Natürlich gibt es Trödelix, der war im dritten Band von Asterix der Gebrauchtkutschenhändler“
  • „Wursttelefon habe ich ja noch nie gehört.“
    „Doch, das sagt man so bei uns im Dorf!“
  • „Impfhibbel?“
    „Das ist bestimmt ein medizinischer Fachbegriff.“

Am Ende gewinnt die Kombination aus Kreativität und Promille über den Deutsch-Leistungskurs. Die anderen halten sich lieber an die große Weinauswahl, die Horst dank des umfangreichen Angebotes im Supermarkt um die Ecke bereitgestellt hat. Schließlich, jeder hat im Laufe des Abends zahlreiche neue Wörter gelernt und seine Grenzen im Weinkonsum getestet, versichert man sich, das unbedingt zu wiederholen. Doch alle wissen, vor dem nächsten Sky Go-Update und einem zufälligen Treffen am Briefkasten gibt es dafür überhaupt keinen Grund.

Und keine Rubrik könnte zu misslungenen Wortschöpfungen besser passen als die

Sprachpanscher

Beliebige Arbeitsgruppe, beliebige Diskussion. 
Irgendwann hörst Du: „Ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster“.

Du möchtest ihm zurufen „Nein, tu das nicht. Viel zu gefährlich. Das ist es doch nicht wert“.
Außerdem ist das Fenster geschlossen, draußen ist es kalt und es stehen genügend Leute bereit, ihn von diesem Irrsinn abzuhalten.

Schnell merkst Du, dass der vermeintlich Mutige und zu allem Entschlossene nur ausdrücken will, dass sein gleich folgender Redebeitrag total unkonventionell ist, neu gedacht (das besprechen wir in der nächsten Folge) und noch nie in der Geschichte der Projektbesprechungen so gesagt wurde. Oder kurz: „was ich jetzt sagen werde, ist völliger Quatsch und ich weiß das, möchte mich hier aber trotzdem mal zu Wort melden“. 

Dennoch wird eine versöhnliche Reaktion erwartet, sowas wie „Ja, erzähl, wir sind total gespannt“ oder „hach, Du denkst immer von einer ganz anderen Seite, das kann keiner so gut wie Du“. Obwohl Dir eher nach „Ach, lass mal, das war letztes Mal schon nichts“ ist.

Was dann folgt, entspricht meist nicht mal annähernd dem soeben aufgebauten Spannungsbogen. Du fragst Dich „Hm, dafür jetzt diese Ankündigung?“ und „Was hätte er aufgefahren, wenn er was wirklich Spektakuläres gehabt hätte? Feuerwerk, Fanfaren, eine Eilmeldung?“. Aber statt alledem lässt Du wie jedes Mal denjenigen aussprechen, achtest darauf, dass alle Fenster geschlossen bleiben oder buchst vor vornherein einen Besprechungsraum im Erdgeschoß und versuchst irgendwie höflich, das Gesagte zu übergehen und schnell zum eigentlichen Thema zurückzukehren. 

Du weißt eben, was sich gehört, da lege ich mich mal aus dem Fenster.

Abschlussflache

Schon wieder gehorcht der Löwe im Zirkus nicht.
Der Dompteur ist jetzt sichtlich angefressen.

Schlusswort

Wenn es Verleihnix und Troubadix gibt, warum sollte es nicht auch Trödelix geben.

Quelle: KI-generiert

Und wahrscheinlich gibt es auch Promillix, den Weinhändler und Bildstörix, den Fernsehtechniker. 
Daran werde ich denken müssen, wenn ich das nächste Mal zum Briefkasten gehe.

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Kommentar

  1. Manchmal komme ich mir vor, wie in einem Asterix-Comic: Umzingelt von Kollegen Denktnix, Machtnix, Weissnix und Kannix…
    Und das Schlimmste ist, ich gehöre bald auch dazu als Erklärnix, weil das Bringtnix.