Extra-Blaß 10/2025 – Essen

Mahlzeit !
Diesmal passt das sogar.
Um Missverständnissen vorzubeugen: diese Folge wird kein Städte-Reiseführer, sie handelt also nicht von der Perle des Ruhrgebietes, umringt von Dortmund und Duisburg mit den Vororten Gelsenkirchen und Bottrop. 
Gelegen an der berühmten A40, der Schlagader des Ruhrpotts, Heimat von Krupp und EON, mit mehr als einer halben Million Einwohnern und einem Kennzeichen mit nur einem Buchstaben hätte diese Metropole sicher eine eigene Folge verdient. Dann müssten wir aber auch über Kuchen (Ba-Wü), Süßen (Ba-Wü) und Linsengericht (Hessen) reden. Und eventuell auch über Darmstadt und Pforzheim.

Egal, vielleicht ein anderes Mal, heute sprechen wir über das leibliche Wohl.
Doch vorher, wie immer zum Auftakt, der 

Flache

„Habe die Frau meines Lebens getroffen!“
Klaus, 53, Jäger

Sprachpanscher

Essen. Essen hat Einfluss auf viele Lebensbereiche. Auch auf unsere Sprache. Farbtöne erhalten Lebensmittelnamen wie z. B. cappuccino oder leberwurstgrau. 

Und auf Speisekarten, gedruckt oder liebevoll mit Kreide auf tragbare Metaplanwände gezeichnet, werden Wortgebilde verwendet, die kulinarische Raffinesse vermitteln sollen. 
Leider führt das häufig dazu, dass heimlich unter der Tischdecke Google oder ein Übersetzungsprogramm bemüht wird. Ok, werden einige sagen, damit outet sich der Verfasser dieser Zeilen als Kulturbanause oder zumindest als Anti-Gourmet. 
Mag sein, aber

Lammkarree an Rosmarinjus

erschließt sich mir nun mal nicht sofort. Ist das ein Lamm, das im Viereck läuft und irgendwas mit ausgepresstem Rosmarin zu tun hat? Ich habe mir in diesem Fall „jus“ vom englischen „juice“ hergeleitet. Und wieso „an“. Steht der Rosmarinsaft nur daneben oder durfte das Lamm zu Lebzeiten mal dran riechen?

Ein anderes Beispiel:

Schokoladentarte an Himbeerspiegel

Erstens ist die Schulzeit bei mir vierzig Jahre her und zweitens waren die wenigen Pflicht-Jahre Französischunterricht meist ein willkommenes Zeitfenster, in dem ich die Physik-Hausaufgaben erledigen konnte oder meinen Casio-Taschenrechner programmieren konnte. 

Da gab es ein Programm, in dem man mit einer Kanonenkugel auf ein Ziel feuern musste. Entfernung des Ziels und Windgeschwindigkeit wurden angezeigt und man musste den Abschusswinkel der Kugel angeben. Der Flug der Kugel wurde simuliert und am Ende gab es entweder ein „Tataaa, Glückwunsch“ oder die Entfernung, mit der man das Ziel verfehlte. Das Ganze passierte auf einem Display halb so groß wie das eines Nokia-Handys, auf dem Jahre später stundenlang Snake gespielt wurde.
Spaß gemacht hat es dennoch, auch wenn die eine oder andere Vokabel beim Spielen natürlich an mir vorbeigegangen ist. Lediglich das euphorische Jubeln im Falle eines Treffers führte zum abrupten Spielende und zur Abgabe des Taschenrechners bei der Französisch-Lehrerin bis zum Schulschluss.

Zurück zur Schokolade. Tarte ist also etwas unbekanntes Französisches oder ein Druckfehler. Fassen wir die bisherige Recherche zusammen: irgendwas mit Schokolade. Kommen wir zum Himbeerspiegel. Himbeersauce wäre klar, kenne ich. Aber Spiegel? Kommen da Himbeeren auf einen Spiegel, um größer zu wirken. Oder braucht man den Spiegel nach dem Essen, weil man sich mit dem Zeug zwangsläufig beschmiert?
Ich hab das interessehalber mal gegoogelt, Schoko-Küchlein mit glattgestrichener Himbeersauce hätte es ebenso umfassend beschrieben, klingt aber längst nicht so raffiniert. 

Hoffentlich kommt die Imbissbude, die wir regelmäßig vor Hertha-Heimspielen aufsuchen, nicht auf die gleiche Idee. „Schweinefleischrolle an Tomatenjus indischer Art mit Kartoffelstäbchen in Ölbadveredelung“ nimmt irgendwie die Stadionstimmung. Eine Curry mit Pommes ist dann doch dem Anlass angemessener.

Mehr Schein als Sein gibt es an vielen Stellen und wir wären nicht bei den Sprachpanschern, wenn wir uns hier mit irgendwelchen aufgepumpten Begriffen zufriedengeben würden.
Deshalb hier ein paar wirklich seltsame Sprachgebilde mit ebenfalls seltsamen Deutungen:

Jetzt haben wir den Salat!

Hört man häufig beim Griechen, wenn der Ober beginnt, die Hauptspeise zu servieren.
Nur wenig später hallt es dann durch den Hellenen-Saal: „Und da kommt auch schon das Fleisch“.

Pack mal Butter bei die Fische

Kenne ich so überhaupt nicht. Im Hafen, wenn die Kutter ihren Fang umverteilen, wird meist Eis statt Butter dazu gepackt und zum panierten, viereckigen Fisch gehören Pommes. Hier kann es sich also bestenfalls um ein Kommando des Chefkoches an den Lehrling in der Küche handeln. Über den falschen Kasus („bei“ verlangt nach Dativ) hüllen wir hier lieber die Panade des Schweigens.

Du musst die Suppe auslöffeln

Versteht sich von selbst, mit der Gabel wird das nichts.

Der hat nicht alle Tassen im Schrank

Reine Spekulation. Keiner, wirklich niemand weiß, wieviel Tassen der Nachbar im Schrank hat. Falls es doch jemand von Euch weiß, bitte schreibt in die Kommentare, warum.

Der hat Tomaten auf den Augen

Normalerweise sind das Gurken und dienen der Hautpflege. Und normalerweise entfernt man die Gesichtsmaske, bevor man auf die Straße geht. 

Das ist mir Wurst.

Grammatikalisch falsch. Es muss heißen: das ist meine Wurst.

Den Braten habe ich gerochen

Nicht zu verwechseln mit „Den Rochen habe ich gebraten“.

Da werden Äpfel mit Birnen verglichen

Unbedingt zu empfehlen bei der Zubereitung der Obstbowle. Bei Verwechselungen kann schnell der Alkoholgeschmack durchschlagen.

Mit mir ist nicht gut Kirschen essen

Und Pflaumen auch nicht. Und Pfirsiche. Dafür aber Erdbeeren. Generell ist Steinobst ungeeignet für den schnellen Verzehr zwischendurch. Wie schnell beißt man gedankenlos zu und schon muss neben dem Stein auch der Schneidezahn entsorgt werden.

Der soll mal den Mund nicht so voll nehmen.

Man sagt ja, ab circa achtzig Gramm wird es undeutlich. Deshalb ist diese Weisheit unbedingt zu befolgen, will man sich beim Essen noch halbwegs gepflegt unterhalten.

Und Leute, die „Schokoladentarte an Himbeerspiegel“ schreiben, schaffen es auch, sich nur mit diesen Beispielen zu unterhalten:

„Jetzt haben wir den Salat! Da packt man einmal Butter bei die Fische und schon musst Du die Suppe auslöffeln. Der hat doch nicht alle Tassen im Schrank. Hat der Tomaten auf den Augen? Aber das ist mir Wurst. Den Braten habe ich gerochen. Wenn einer Äpfel mit Birnen vergleicht, ist mit mir nicht gut Kirschen essen. Der soll mal den Mund nicht so voll nehmen.“

Zu Risiken und Nebenwirkungen…

Jeder kennt die Beipackzettel bei Medikamenten. Das sind diese kleinen, dreizehnmal gefalteten Zettel, die man zunächst wie eine Papyrusrolle auseinanderfummeln muss. Sobald man den Origami-Test bestanden hat, kann man lesen, was alles passieren kann, wenn man das vom Arzt verordnete Zeug einnimmt. Das muss bei jeder Pillenschachtel dabei sein.

Auch das Zutatenverzeichnis bei Lebensmitteln ist laut Lebensmittelverordnung Pflicht, es listet alle verwendeten Zutaten auf und liest sich meist wie der Inhalt eines Chemie-Baukastens für die Oberstufe. Allergene müssen sogar in fetter Schrift hervorgehoben werden. Zur Schriftgröße und auch zur Sprache schweigt die Verordnung leider. 

Zutatenliste auf Buldak-Ramen

Mit viel Glück und einer Lupe kann man in deutscher Sprache und Schriftgröße 4 lesen: „kann Spuren von Erdnüssen enthalten“. In der Regel ist es jedoch ein leicht verschwommener Aufdruck in Schriftgröße 2
„可能含有微量花生“, gerne unter irgendeinem Aktionsaufkleber. Kann das gleiche bedeuten, für alle Fälle sollte man aber schon mal den Anti-Allergie-Stick bereithalten.

Auf Speisekarten gilt Ähnliches. Bleiben wir mal beim Griechen. Beim Gericht steht erstmal nur ganz harmlos 
Gyros mit Knoblauchsoße a,c,d,e,h,m     16,90€.
Auf der letzten Seite wird dann raffiniert verschlüsselt erklärt, welcher chemischen Hilfsmittel sich der Koch bedient hat. Nach mehrmaligem Hin- und Herblättern erfährt man, dass Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Klebstoffe, E 4711, E 4712, E 4713, Schalentiere, Laktose und Küchenabfälle enthalten sein können.
Rattengift, als r gekennzeichnet, ist im Gyros nicht enthalten. Erst später fällt auf, dass zu allen Fleischgerichten ein gemischter Salat r gereicht wird. Der abschließende Ouzo besteht dann zu 38% aus nur einem Zusatzstoff, der steht aber auf keiner Liste. Yamas!

Wir nähern uns dem Ende dieser Folge und deshalb folgt der

Abschlussflache

Seit dem EU-Beitritt heißen die Bewohner Lettlands
Europaletten !

Schlusswort

Ihr seid nun hoffentlich schon „heiß wie Frittenfett“ auf weitere Ausgaben, aber Ihr müsst „in den sauren Apfel beißen“ und wieder drei, vier Wochen warten. 

Da diese Serie ähnlich wie ein Medikament wirkt, ob als Aufputsch-, Schmerz- oder Betäubungsmittel, müsst Ihr selbst entscheiden, hier der abschließende Warnhinweis:

Diese Folge kann Spuren von Humor und Übertreibungen enthalten.
Bei allergischen Reaktionen werft einfach einen Blick in die aktuellen Nachrichten.

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